Selbststudium zum Landstreicher
🕐 22. Mai 2016 | Edessa, Griechenland ☀ |
Am 20.05. setzten wir unsere Reise fort. Es gelang uns schnell von Bitola bis zur griechischen Grenze zu kommen, aber
wir mussten uns einem kurzen Verhör eines Grenzbeamten stellen (in Mazedonien gilt für Reisende polizeiliche Meldepflicht).
Da unser Fahrer, ein Manager eines Dojos, nur bis zur Grenze musste, liefen wir ein Stück weiter. Der Verkehr hielt sich "in Grenzen"
und kaum hinter der Grenze kamen wir an eine Autobahn, die sehr neu erschien. Auf der Karte konnten wir sie nicht entdecken und allen
anderen ging es ebenso. Jedes Auto stoppte und hielt an. Sogar ein LKW nahm die Einfahrt zur Autobahn von der entge-gengesetyen Fahrtrichtung.
Als es anfing zu regnen fanden wir eine Mit-fahrgelegenheit. Wie sich herausstellte Streikten an dem Tag die Zöllner und die Autobahn wurde
einige Stunden zuvor eingeweiht - aha!
Nicht allzuweit von Florina wurden wir an der Autobahn rausgelassen und schlugen uns Richtung Edessa ein Stück die Landstraße entlang.
Zu un-serem Bedauern stellte sich die Tätigkeit des Autostoppens in Griechen-land als undenkbar heraus, da bis zum abend kein Mensch
anhalten wollte...
Als wir uns letzten Endes im Zelt zur Ruhe betten wollten, fragten wir ei-nen Mann in einem nahegelegenen Gewächshaus, ob wir dort unser
Zelt aufschlagen könnten. Er riet uns ab in der Gegend zu campieren, da in der Nacht wilde Hunde unterwegs seien, die alles und jeden
anfallen würden. Stattdessen schickte er uns ins nahegelegene Dorf zur Kirche. Der Regen wurde unterwegs immer stärker und natürlich
reagierte niemand auf unser klopfen. Wir gaben uns also Mühe, beim nächsten Passanten so ratlos und vertrottelt wie nur möglich zu
gucken. Das klappte dermaßen gut, dass gleich das nächste Auto hielt und der Fahrer uns sagte, wir sollen doch unser Zelt im Park
im Zentrum des Dorfes aufschlagen.
Wir erkundeten das kleine Stück Grün unsd setzten uns in einen Hauseingang gegen-über der befahrenen Straße mit der ein-zigen Dorfkneipe.
Als es schließlich dunkel wurde und der Regen immer härter plät-scherte war alles matschig und durch-weicht und die Wassermassen glichen
Spa-getthis, die sich vom Himmel herabseitlen.
So nächtigten wir wie die Obdachlosen im Hauseingang...
Am nächsten Tag fror Till mehr als alle Schneider in allen Zeiten zusam-men. Als er es nicht mehr aushielt, drängte er David zum weitergehen.
Und was tut man in so einer Situation? Richtig, man geht in die nächste Kneipe gegenüber, um sich bei einem Kaffee aufzuwärmen.
Kaum dass wir die Kneipe betraten, verstummten die Menschen und argwöhnische Blicke richteten sich auf uns. Nach 5 Sekunden des Schwei-gens
ging das Spektakel los: Fragen prasselten zu dutzenden auf uns ein und wir als heraus war, dass wir Deutsche sind, war kein Halten mehr. Einer
Stripperin hätte man vermutlich weniger Beachtung geschenkt als uns. Wir mussten Ouzo trinken und der Kaffee ging aufs Haus. Menschen auf dem
Land sind eben freundlich. Gut gewärmt und leicht beschwippst zogen wir weiter.
Leider war dies das einzig gute Erreignis an diesem Tag. Wir zogen bestimmt 8km im Regen zu Fuß weiter, bis wir zwei Stunden und zwei Dörfer
weiter total durchnässt an die Autobahn kamen. Der Verkehr war so gering, dass wir uns auf die Autobahn stellen mussten, um überhaupt ein Auto
zu sehen. Zum Glück hielt eines, fuhr aber schnell wieder ab von der Autobahn und wir mussten wieder eine Stunde laufen, um zurück zur richtigen
Straße zu kommen. Wir stellten uns darauf ein und so kam es auch: wir warteten abermals drei Stunden bis endlich einer anhielt. Das glich einem
Wunder, denn dank des Wetters sahen wir aus wie die naive eigeninterpretation von RainMan! (und ratet mal was Tills mp3-Player Zufallswiedergabe
für ihn abspielte: Here comes the rain und Have you ever seen the rain!)
Jedenfalls fuhren wir bis nach Edessa, wo wir feststellten, dass es keine bezahlbaren Hostels gab. Schließlich fanden wir einen trockenen Platz
unter einer Brücke. Von Ratten, einem bisschen Uringeruch und dem Lärm der Autobahn ließen wir uns nicht abschrecken. Man merke: Das Selbst-studium
zum Landstreicher ist das günstigste, das man bekommen kann und Bewerbungen schreiben muss man auch nicht!
Am nächsten Morgen liefen wir durch Edessa, welche nebenbei bemerkt eine schöne Stadt ist und viele historische Burgen aus der Zeit der
Kreuz-züge vorweisen kann. Es befindet sich dort auch ein dreckiges öffentliches Klo, dessen Dienste David gerne in Anspruch nahm, wohingegen Till
in einem Cafe scheißen ging.
Um zur Autobahn zu kommen mussten wir abermals eine Stunde laufen und zwei Stunden warten, dann nahm uns aber ein netter Grieche mit, der einige
Jahre in Deutschland gelebt hatte. Er fuhr uns bis wir 35km von Polykastro entfernt waren, unserem Tageszielt. Dort trampten wir an einer verlassenen
Mautstation und kesselten arglose Autofahrer ein. Ein Volunteer nahm uns schließlich die letzten Kilometer mit.
In Polykastro wollten wir nämlich der deutschen NGO IHA im Flücht-lingslager Idomeni helfen,
wie wir uns dabei angestellt haben und was wir wirklich bewirkt haben könnt ihr bald im nächsten Artikel lesen, seid gespannt!