Der Pamir Highway
🕐 25. August 2016 | Der Pamir Highway, Tajikistan - Kirgisistan ☀ |
So landete also mein Flieger nach einer Stunde Flug in Dushanbe und ich betrat
tajikikischen Boden. Für dieses Land hatte ich ausnahmsweise einen konkreten
Plan, nälich den Pamir Highway zu betrampen undzwar zusammen mit dem
Argentinier Joel, mit dem ich bereits in Teheran versucht hatte, an das China-Visum
zu kommen.
Doch Pamir Highway, was ist das eigentlich? Alles was ich bis dato wusste war, dass
Pamir ein riesiges Gebirge ist, wo die Straße über eine endlose Hochebene
auf über 4000 Meter Höhe führt. Diese Schotterpiste, auch
fälschlicherweise "Highway" genannt, gilt als der Traum eines jeden Radfahrers
(der endlose Strapazen aufgrund Berg-rauf-und-wieder-runter und Mangel an
Sauerstoff auf sich nehmen will, da bin ich doch froh, Tramper zu sein...). Die
Einheimischen nennen Pamir "Gorno Badagschan", in Tajikistan spielt dieses Gebiet
eine beson-dere Rolle, da es das Grenzgebiet in den Bergen zu Afghanistan, Pakistan,
China und Kirgisistan definiert. Aufgrund vieler Streitigkeiten in der Vergangenheit
ist für dieses Gebiet eine gesonderte Erlaubnis einzuholen, das sogenannte
GBAO-Permit.
Ich stiefelte also durch die Stadt, um das zuständigeOffice zu finden und
zwei Stun-den später und 20 Somoni (=2,50 Dollar) weniger hieß es, komme
morgen wieder.
Für die Nacht hatte ich über Couchsurfing eine Übernachtungsmöglichkeit
gefunden, doch ehe ich Nasru, meinen Host, treffen konnte, galt es noch, ein paar
Stunden totzuschlagen. Ich stiefelte also durch das mit über 30 Grad überraschend
heiße Dushanbe und fand mich von der sowjetischen Architektur beeindruckt. Vieles
erinnerte mich an das Computerspiel Syberia, die Statuen, die Bauweise, die Parks...
Da hörte ich plötzlich jemanden Pfeifen. Als ich mich umdrehte, sah ich
zwei Polizisten und einen dritten in Zivil mich herwinken.
"Passport", hieß es.
Da sie mit der Kopie nicht zufrieden wa-ren, rückte ich schließlich meinen
Reise-pass raus. Nach eingängiger Studie began-nen sie zu erklären:
"Hier problema"
Sie zeigten mir in Bild eines jungen Mannes und machten mir mit Zeichen-sprache
verständlich, dass er hier um-gebracht worden sein soll. Er sehe mir
ähnlich, von wegen! Mitkommen hieß es, zum Polizeibüro, Personalien
aufnehmen. Doch kaum waren wir fünf Meter in einen kleinen Seitenweg im Park
gelaufen, blieben sie stehen.
"20 Somoni", sagte der kleine in Zivil.
Ich schaute sie verständnislos an.
"Was?", fagte ich.
"20 Somoni, Tajikistan money!", meinten sie mit einem freundlichen Lächeln.
"Money? Ja nie djengi! (Geld? Ich habe kein Geld!)", entgegnete ich.
20 Somoni sind umgerechnet 2.50 Dollar, so viel ist also die Polizei hier wert...
"Dollar?", versuchten die Polizisten es weiter.
"Niet"
"Euro?"
"Niet.", kein Geld ist eben kein Geld.
"20 Somoni!", forderten sie erneut.
"Ich habe nur ganz wenig Geld, 10 Somoni.", tatsächlich hatte ich zu diesem
Zeitpunkt nur ca. 30 Somoni und ein paar Dollars im Geldbeutel.
Die Polizisten hatten genug. Enttäuscht gaben sie mir meinen Pass zurück
und ließen mich ziehen. Na so was aber auch!
Endlich wurde es Abend und Nasru holte mich im Park ab. Er war ein sehr netter, etwas
schüchterner tajikischer junger Mann und mit dem Bus fuhren wir zu dem Haus
seines Onkels, wo er ein Zim-mer hatte. Als wir aus dem Bus ausstiegen, fand ich
mich in einem ärmlichen Viertel wieder. Die Häuser waren ziemlich
abgeranzt und das Wasser in den Bächen (oder auf den nicht asphaltierten
Wegen) stank erbärmlich.
Wir betraten die Erdgeschosswohnung eines dieser Reihenhäuser. Viel war hier
nicht zu finden, in Nasrus Zimme gab es zwei Matrazen - fertig. Dafür waren
die Leute sehr freundlich und Nasru und ich gingen in ein Suppenrestaurant, um
zu Abend zu essen, lecker! Bevor wir uns schlafen legen, zeigte mir Nasru
noch stolz seine Auserwählte, sie er im Oktober heiraten werde und ich
spielte ein paar Lieder auf der Gitarre. Am nächsten Morgen standen wir früh
auf, Nasru machte sich auf den Weg zur Arbeit (er war Journalist) und ich packte
meine Sieben Sachen und holte mein GBAO-Permit ab.
Ich war startbereit!
Doch als ich bei Joels Hostel ankam, um ihn abzuholen, hatte ihn eine der
Haupt-krankheiten der Tajikistan-Reisenden er-eilt: Durchfall. Nun gut, wir
verschoben die Abreise um einen Tag. Joel hatte sich auch von einer Dänin
namens Anna be-quatschen lassen, zu dritt Richtung Pamir zu starten. Zu dritt
trampen auf einer derart abgelegenen Route - na das kann ja heiter werden!
Der Tag des Aufbruchs kam und wir star-teten von Dushanbe in Richtung afghan-ischer
Grenze und zu unserer Über-raschung klappte es erstaunlich gut! Nicht wie in
Deutschland ist man es hier ge-wohnt, den Platz in den Autos optimal auszunutzen.
Wenige Kilometer von Dushanbe entfernt kamen wir an einem wunder-schönen See
vorbei. Die Aussicht von der Straße war gigantisch... und wir hatten Zeit,
sie zu genießen, da uns unsere Fahrer aus Angst vor kontrol-len Korrupter
Polizisten dort absetzten.
Der Platz war zum trampen denkbar ungeeignet, doch
irgendwann ging es dennoch weiter in die nächste Stadt. Dort standen wir an
einer Tankstelle, doch der Besitzer wollte uns wohl nicht da haben, denn er bezahlte
eine gerine Summe an einen Taxifahrer, um uns 500 Meter weiter zu fahren.
Zu unserem Glück, denn dort lief uns eine nette Frau hinterher und gab uns zu
verstehen: "Kommt, kommt! Essen, ausruhen!"
Toll, ich war begeistert, ich musste nur meine Reisegefährten überzeugen,
die es allzu eilig hatten in den Pamir zu kommen. Aber nichts leichter als das
und so saßen wir wenig später in einem Restaurant und schlabbelten eine
leckere Suppe.
Da fragten sie mich: "Pivo?".
Natürlich will ich ein Bier, was für eine Frage.
Nur der arme Joel musste leiden und verzichtete als einziger auf jegliches Mahl,
da er noch mit seinem Durchfall zu kämpfen hatte.
Wir bedankten uns herzlich für die Einla-dung ung gut gestärkt und ein
paar Selfies mit den Gastgebern später standen wir wieder an der Straße.
Nach einer Fahrt mit einem Polizisten, der durch sämtliche Polizeikontrollen
mit einem Kopfnicken durchgewunken wurde, kamen wir schließ-lich zu unserem
letzten Lift für diesen Tag.
Der nette Mann versuchte uns die ganze Fahrt etwas mit "Urlaub" und "Freund" zu
erklären, aber wir verstanden kein Wort. Doch als in der nächsten Stadt
sein Kumpel einstieg, löste dieser das Missverständnis auf: ob wir mit
zu einer Hochzeit kommen wollen, und anschließend könnten wir bei
seinem Kumpel pennen. Was für eine Frage, natürlich wollen wir!
Und so ging es weg von der einzig brauchbaren Straße in der Gegend, immer
weiter in die Pampa hinein, bis wir bei Einbruch der Dunkelheit in einem Bauernnest
ankamen. Vor einem Haus war die Party in vollem Gange, eine Band spielte traditionelle
Musik und eine Traube an Menschen stand um ein paar Tanzende herum. Die Hochzeit stellte
sich als die Abschiedsparty für die Braut von ihren Eltern dar, der Bräutigam
war nicht anwesend. Traditionell musste die Braut den ganzen Abend traurig sein,
da sie nun ja das Haus ihrer Eltern verlassen würde. Sie trug ein reich
verziertes Kleid (ja sie wechselte es gar während des Abends) und ihr Gesicht
sah tatsächlich wie erwünscht ziemlich erbärmlich aus.
Wir wurden natürlich zuerst ins Haus geführt, wo uns reichlich Essen
vorgesetzt wurde. Armer Joel, während Anna und ich erneut reichlich schlemmten,
hörte ich ihn nur fluchen (oder war es gar ein Schluch-zen...?).
Nach diesem Festmahl begaben wir uns wieder zur Party. Es tanzten dort Männer
und Frauen getrennt einen lustigen Tanzstil. Nachdem wir alle aufgefordert wurden,
ebenso zu tanzen und meine Kollegen feige kniffen, begab ich mich ins Tanzgetümmel.
Zuersta tanzte ich mit einem älteren Herrn, doch die Menge kapierte schnell, dass
da ein Ausländer in der Mitte war und um mich herum wur-den es immer weniger
Mitstreiter. Ein Rückszug war nun unmöglich und so gab ich mein bestes,
hatte ich doch viel von Tills extasischen Tanzeinlagen gelernt - ohne Frage, Till
wäre hier der Star gewesen!
Als schließlich nur noch ich übrig war und die Menge grölte kam
der Tanzstar des Dorfes und begann mit mir zu tanzen.
Wir tanzten im Kreis wilde Gesten, doch er fasste das ganze als einen Kampf auf!
Nach ein paar weiteren Moves a'la Till & Tillstyle begann ich mich
zurück zu ziehen, doch die Meute tobte und ich musste wieder in den Ring.
Schließlich kam die Braut und verbeugte sich vor uns beiden, während
wir wie wild über den Platz jagten. Irgendwie schaffte ich es dann doch,
mich zurückzuziehen und meinem Gegner den Sieg zu überlassen, wollte
ich mir hier ja keine Feinde machen.
Die Party ging noch ca. eine halbe Stunde weiter und gegen 23 Uhr war auf einmal
Feierabend, das Licht ging an, die Band stoppte und alle, wirklich alle, gingen nach
Hause. Das war uns auch ganz recht, wir hatten einen anstrengenden un langen Tag
hinter uns. Wir stiegen also ins Auto und fuhren zurück nach Kulob.
Unser Host für diese Nacht war mit im Auto, er war ein Kumpel unseres Fahrers.
Dieser sehr gastfreundliche junge Mann hatte offenbar gefallen an Anna gefunden,
er beäugte sie vom Rücksitz aus und stel-lte charmante fragen - für
Joel und mich sehr amüsant zu beobachten.
Schließlich kamen wir bei seinem Haus an. Für dortige Verhältnisse
war es sehr luxoriös, viele große Räume, es gab eine Dusche mit
warmen Wasser (!), nur die Toilette entsprach wie üblich einem Loch im Boden.
Dort wohnten insgesamt zwei weitere Familien, Gechwister unseres Gastgebers und
er selbst.
Der nächste Morgen begann und wir wurden an einen überreichhaltig
gedeckten Tisch gebeten. Anna und ich waren begeistert vom Brot und der Marmelade,
vom Tee und dem Rührei, von den Kecksen und und und...!
Nur Joels Laune
trübte sich mal wieder, da sein Magen noch immer Probleme berei-tete.
Da grade olympische Spiele in Brasilien waren und ein Fernseher in Sichtweite
stand, verging der Vormittag schneller als erwartet und ehe wir uns versahen, stand
das Mittagessen auf dem Tisch. Joels trübseliger Blick wurde immer
Bemittleidenswerter und und Anna und ich stopften unsere Bäuche mit Teigtaschen
und allerlei Leckereien. Mit vollen Mägen fletzten wir uns abermals auf den
Boden und ehe wir uns versahen, hatten wir den Nachmittag damit verbracht,
Olympia zu beglotzen.
Ihr ahnt es schon, das Abendessen kam: selbstgemachte Pommes Frites. Begeistert
schlugen wir zu, nur der arme Joel knabberte abermals an einem Krunten trockenen
Brotes - solangsam tat er mir ja schon fast leid...
... doch die Revanche kam am nächsten Tag: in Tajikistan ist es nämlich
Sitte, je-des Essen in Öl zu ertränken und Annas und mein Magen war das
nicht bewusst - und so teilten wir von nun an mit Joel dasselbe Leid.
Aufgrund dieser neuen Entwicklung beschlossen wir, noch einen Tag länger bei
unseren Freunden zu bleiben - waren wir doch alle froh, ein Plumpsklo in Reichweite
zu haben.
Unsere Gastgeber verstanden unsere Lage nicht und tischten uns weiterhin reichhaltig
Essen auf, was wir von nun an konsequent ablehnten. Am nächsten Tag
verließen wir diesen Hort der Völleri und der inständigen Bitten
unserer Mäster, noch ein paar Tage zu bleiben (vielleicht war ein Schlachtfest
ja bereits organisiert, wer weis...?).
Es war ein sonniger Morgen und wir waren ein wenig aufgeregt, sollten wir doch
heute endlich mit dem interessanten Teil des Pamir Highways beginnen: nur wenige
Kilometer entfernt begann die Straße nä-mlich für über 400
Kilometer dem Grenz-fluss zwischen Tajikistan und Afghanistan zu folgen.
Wir sprangen bei einem Pick-Up auf die Ladefläche auf und wären
in den Kurven beinahe von dessen ungesicherter Ladung erschlagen worden. Die
Straße wurde derweil bergiger und schlechter, bis man nur noch von einer
Schotterpiste reden konnte. Das sollte demnächst auch so bleiben.
Schließlich sahen wir den Fluss und Afghanistan!
Der Fluss schnitt sich durch die Berge und formte ein Tal. Auf beiden Seite war
eine Straße zu sehen, wobei die afghanische noch schlechter aussah (und das
will was heißen). Dort bestand der Verkehr (falls vorhanden) nicht aus
Autos, sondern aus Moppeds und Eseln und ab und zu tauchten ein paar
Häuseransammlungen auf, wobei di Dörfer auf tajikischer Seite auch keinen
besseren Eindruck machten.
Die Landschaft war dafür aber gigantisch: Kahle braune Berge, die sich zu
beiden Seiten des Flusses emporhoben und ab und zu ein paar grüne Oasen, meist
auf afghanischer Seite. Auch das Trampen zu tritt klappte hier noch erstaunlich gut
und am späten Nachmittag kamen wir in Kalai-khumb an. Dieses Städtchen
machte für die Region einen erstaunlich guten Eindruck, vielleicht weil es
eine Art Knotenpunkt darstellte. Von hier führte die letzte Abzweigung des
Pamir Highways zurück nach Dushanbe. Wir fanden hier tatsächlich offenes
WiFi (ein Wunder) und zwei Stunden später beschlossen wir, am Stadtrand unser
Zelt aufzuschlagen. Geeignete Plätze waren rar, in der Moschee hieß man
uns nicht willkommen, aber auf einmal lud uns eine junge Frau ein, in ihrem Haus
zu übernachten.
Sie lebte mit ihrer Siefmutter und ihren drei kleinen Kindern in einem kleinen
Haus mit zwei Zimmern. Im Vorraum konnten Joel und ich nächtigen, während
Anna im inneren Zimmer mit der Familie schlief. Der Vater der Kinder war nicht
anwesend, wir konnten auch trotz Nachfragen nichts über ihn herausfinfden.
Die Kinder wirkten klein und wir schätzten ihr Alter auf drei bis vier Jahre,
es stellte sich jedoch heraus, dass sie bereits sechs und sieben Jahre alt waren!
Es gab weder fließend Wasser noch ein Plumpsklo, wer mal musste ging in den
Hinterhof und legte dort einfach sein Geschäft auf dem Boden ab. Kurz gesagt:
die Familie lebte in ärmsten Verhältnissen. Trotzdem teilte sie ihr
selbstgebackenes Maismehl-Brot mit uns - lecker. Wir waren froh, ein Dach über
dem Kopf zu haben, denn dies war eine der wenigen Nächte, in der es
tatsächlich reg-nete. Am nächsten Morgen packten wir früh unsere
Rucksäcke und schlugen das Angebot zum Frühstück aus, hatten sie
ja selber nicht viel!
Unser Ziel für den Tag war es, Khorug zu erreichen. Khorug war die letzte
Stadt entlang der afghanischen Grenze, ca 250km entfernt, danach sollte die
Hochebene starten. Wir trampten also los, hatten etwas Probleme eine
Mitfahrgelegenheit zu finden, schließlich ging es weiter mit einem Mann, der
zur Arbeit an einem Grenzübergang fuhr und anschließend mit einem Mann, der
zu Mittagspause nach Hause fuhr. Dort wurden wir abermals zum Mittagessen eingeladen.
Anna ging es gut, sie griff ordentlich zu, ich war noch etwas vorsichtig, aß
eine halbe Portion und Joel, der eigentlich wieder besser war, hatte Angst, wieder
normal zu essen und begnügte sich mit Keksen. Es gab Plow, ein Nationalgericht
in Tajikistan und Kirgisistan. Es besteht aus Reis und Möhren (in
dünne Scheiben geschnitten und in Öl weich gegart) und Rindfleisch, sehr
schmackhaft, aber wie überall dort mit zu viel Öl zubereitet! Zum
Nachtisch gab es eine leckere Torte, schlabber!
Eine lustige Randnotiz ist tie Toilette, die Anna dort aufsuchte: bei der Frage
nach einem Klo blickten zunächst alle nervös hin und her. Schließlich
fürte eine Frau Anna in ein Haus in einen Raumm, wo überall die Kacke auf
dem Boden herumlag und tüchtig am Dampfen war. Dort musste sie aufpassen, wo
sie hintrat und schaffte es irgendwie wieder unbeschadt hinaus zu kommen.
Wieder am Highway hielt ein LKW an. Er fuhr nach Khorug und konnte aber nur zwei
Tramper mitnehmen. Da wir zuvor beraten hatten, was zu tun sei, wenn diese Situation
eintritt, stiegen Joel und ich in den Truck und wir machten einen Treffpunkt in
Khorug aus. Wir waren sicher, dass Anna schneller sein würde und eine halbe
Stunde später saher wir sie uns auch aus einem überholenden Auto zuwinken.
Wie wir später erfuhren, fuhr dieses Auto direkt nach Khorug und hatte sehr
viel Platz - natürlich dachte sie nicht daran, den Fahrer zu fragen, ob er
Joel und mich auch mitnehmen würde...
... denn unser Laster fuhr auf dieser Schotterpiste eine erstaunliche
Durch-schnittsgeschwindigkeit von 20km/h.
Schließlich dämmerte es und: wir
würden Khorug frühestens am nächsten Tag er-reichen und nirgendwo war
Empfang fürs Handy zu bekommen, um Anna Bescheid zu sagen.
Es wurde spät und wir guckten uns einen passablen Platz aus, um unser Zelt
aufzuschlagen. Es gab dort ein paar Bäume, einen Bach und ein paar Häuser.
Anna erzählte uns später, dass sie genau an diesem Ort von ihren Fahrern
zum Essen eingeladen wurde!
Wir schlugen unser Zelt mit Blick auf Afghanistan auf, kochten Reis und Kar-toffeln
und gingen früh schlafen. Den Bach, der einen kleinen Wasserfall hatte, nutzte
ich am nächsten Morgen für eine Dusche, bevor es wieder hieß:
warten auf eine Mitfahrgelegenheit. Und tatsächlich hattem wir diesmal
mächtig Glück, ein Geländewagen hielt und der Fahrer war auf dem Weg
nach Kholug. Es handelte sich um einen Taxifahrer, der nach Murgab unterwegs war, um
einen Fahrgast nach Osh zu bringen. Da er aber sowieso die Strecke fahren musste,
nahm er uns umsonst nach Khorug mit.
Nach dem letzten Tag kamen mir die 70km/h, die der Wagen vorlegte, unglaub-lich
schnell vor. Nach drei Stunden fahrt kamen wir in die Nähe der Stadt und
freuten uns, gleich anzukommen, doch - was war das: da stand ein Haus quer auf
der Straße! Bei genauerem Hinsehen stand das Haus aber nicht auf der
Straße, sondern auf einem LKW, der auf der Straße stand!
Drum herum war das ganze Dorf versammelt, um bei dieser Aktion dabei zu sein. Wir
hatten genug Zeit, die Szenerie zu beobachten, denn an ein Vorbei-kommen war nicht
zu denken. Bei dem Objekt handelte es sich um einen kleinen Verkaufsladen, der
von irgendwo her angekarrt wurde und am Rande der Straße installiert werden
sollte. Etliche Versuche den Laster zu wenden und hundert Schraubereien am Haus
später öffnete sich schließlich eine kleine Schneise für
die Autos, was für ein Spektakel!
Eine Stunde später erreichten wir endlich am späten Nachmittag Kholug.
Nun waren wir bereits auf 2900 Meter über dem Meeresspiegel.
Die Stadt war nicht schön anzusehen, Verkehr, hässliche Gebäude...
wir trafen Anna im Zentrum wieder. Sie hatte die letzte Nacht in der Universität
verbracht, nachem sie bei dem Versuch im Prak zu schlafen von Männern
angemacht worden war. Den Tag über hatte sie auf uns gewartet und war nicht
so glücklich über die Tatsache, noch eine Nacht hier verbringen zu
müssen, da es bereits zu spät war weiterzuziehen.
Wir fragten in der Universität nach, ob wir dort noch eine Nacht schlafen
könnten und eine Studentin die dies höte lud uns für ie Nacht zu
sich ein.
Wir sprangen auf die Ladefläche des Pick-Up ihres Mannes auf, der sie von der
Universität abholte und fuhren durch die Stadt zu ihrem Haus. Sie hatten ein
riesiges Haus, eine tolle Küche, komfortable Schlafzimmer und eine
außergewöhnliches Bad mit Toilette und Dusche!
Wir waren hoch erfreut, Joel kochte sich Nudeln und Anna und ich genossen die
Suppe, die die nette Studentin für uns zubereitete. Doch irgendwas bekam mir
nicht gut und ich verbrachte die Nacht mit wenig Schlaf und starken Bauchschmerzen,
ja, der Durchfall war zurück.
Als morgens um sieben Uhr in der früh ihr Mann in unser Zimmer gerannt kam
und "Rabota, rabota! (Arbeit, Arbeit!)" brüllte, waren wir schwer
überrascht: Was für ein Rauswurf!
Wir hatten zwar nicht explizit gefragt, aber am letzten Abend meinte sie, dass
ihre Kinder zu Hause bliebenz wenn sie zur Arbeit gingen (ungezogene Rotzbalgen
nebenbei erwähnt) und sie sagte nicht, dass wir ebenfalls mor-gens raus
müssten; lerne also besser alles zweimal und genau nachfragen!
Wir packten also in aller Hast unsere Sachen und machten uns auf die Stadt zu
verlassen.
Unser Ziel für den heutigen Tag war es, einen Platz am Fluss zum campen
zu finden, bevor wir die Baumgrenze verlassen. Es ging also wieder zu dritt
weiter. Anna lamentierte, hätte sie gewusst, dass wir am Tag zuvor so
spät ankämen, wäre sie bereits alleine weiter. Sie schlug vor,
von nun an ggetrennt zu reisen, doch da hielt ein Auto und schwupps waren wir
alle drei im Wagen.
Zwei Lifts später sah die Landschaft schon vielversprechend aus: Hochebene,
ein Fluss, viel grün, in gemäßten Abstand Ber-ge. Eine Einladung
im Garten von Leuten zu campen schlugen wir dankend aus, wollten wir doch
endlich alleine und ungestört in der Natur sein.
Da hielt in weiteres Auto und ca. 20 Kilometer später erspähte ich
einen wunderbaren Platz.
"Sofort anhalten!", rief ich und wir sprangen begeistert aus dem Auto.
Der Fluss schlängelte sich hier, hatte Seitenarme und war sehr breit.
Drumherum massig Grünfläche mit Gras und kleinen Bäumen. Perfekt!
Wir stellten unsere Rucksäcke ab und Joel ging auf Erkundungstour.
Wenig
später kam er wieder und meinte, er habe den besten Platz gefunden. Wir
schulterten noch einmal unsere Rucksäcke und nun hieß es: Vorsicht!
Wir mussten mit vollem Gepäck eine 30 Meter lange Hängebrücke
überqueren, die quer über den Fluss gespannt war. Eine wackelige
Angelegenheit, doch keiner von uns plumste ins Wasser und wir fanden den
Platz wie von Joel beschrieben vor. Eine große Wiese, weit und breit keine
Häuser, direkt am Fluss - genau so hatten wir uns das vor-gestellt.
Wir machten uns nun daran, ordentlich abzuhängen und fletzten uns in die
Sonne. Tagsüber waren die Temperaturen hier ziemlich hoch und es wurde
heiß, doch sobald die Sonne verschwand wurde es bitter kalt, waren wir
doch auf über 3000 Meter Höhe angekommen.
Wir machten uns ein schönes Feuerchen aus trockenen Ästen, kochten
darüber Tee und Suppe und gingen anschließend früh schlafen.
Den darauffolgenden Tag verbrachten wir ebenso: faulenzen, Feuer manchen, Tee
und Suppe koochen. Gestört wurden wir nur einmal von einer Gruppe Kühe,
die sich in unserem Lager die Wänster mit Gras vollstopfen wollten und
einmal von einem Einheimischen, der uns ein Laib selbstgebackenen Brotes brachte
- lecker!
Als wir abends am Feuer saßen, stellten wir fest, dass grade Vollmond war.
Der Mond leuchtete Hell am Himmel, als plötzlich ein Heulen durch die
Dunkelheit drank. Erst ein, zwei, dann schlossen sich immer mehr Stimmen an:
Wölfe.
Anna bekam Angst: "Was sollen wir machen?".
Joel, der bereits in seinem Zelt war, meinte, sie solle einfach ins Zelt gehen.
Da wir noch am Feuer saßen, sagte ich, dass wir solange das Feuer brennt
sicher seien. Anna beruhigte sich etwas und wenig später verstummte das
Heulen. Zum Glück war mir bewusst, dass Wölfe in der Regel keine
Menschen angreifen und so begab ich mich im Zelt zur Ruhe und konnte in Ruhe
einschlummern.
Der nächste Morgen begann, ohne dass einer von uns in der Nacht gefressen
wurde und es hieß mal wieder die Zelte einzupacken und weiter zu ziehen.
Wir hatten von einem Fahrer von einer tollen Stelle 70 Kilometer entfernt
von unserem Rastplatz gehört, da wollten wir heute hin.
Mit Anna hatten wir verabredet, bis Murgab gemeinsam zu trampen, was in ca.
200 Kilometern Entfernung die letzte tajikische Stadt im Pamir Gebirge ist.
Von dort ist es aber fast unmöglich, ein Auto zu finden, daher war der
Plan, uns dort zu trennen. Wie dem auch sei, als ein LKW hielt, der einen
Platz frei hatte und bis nach Murgab fuhr, hatte Anna plötzlich jegliche
Kameradchaft vergessen. Ein kurzes: "Ok, tschüss", und weg war sie. Etwas
bedröppelt standen wir an der Straße, aber waren wir doch auch etwas
froh, unsere Ruhe zu haben und zu zweit hat man dann doch mehr Chancen als
zu dritt (es sei denn die dritte Person ist weiblichen Geschlechts).
Ein Wagen mit zwei Päarchen hielt auch sogleich, Joel und ich quetschten uns
mit den anderen beiden zu viert auf die Rückbank und welch Glück, sie
waren auf dem Weg zu den heißen Quellen.
An dieser Stelle seien kurz die Top-Konversationen mit Tajikischen Auto-fahrern
aufgelistet, die man aufgrund mangelhafter Russisch-Kenntnisse mit 99% der
Fahrer halten muss:
-
Die Nummer eins wie fast überall: "Adkuda wi? (Woher kommst du?)".
Standartfrage, aber die Reaktionen der Fahrer sind umso besser.
Auf Joels "Argentinia" folgt immer: "Ahh, Messi harascho (Messi sehr gut)", oder auch: "Pele harascho", aber der ist ja aus Brasilien...
"Germania/Nemzi" löst eine von zwei Reaktionen aus: entweder geht es um Autos (Mercedes) oder um Nazis ("Heil Hitler" bekommt man schon des öfteren zu hören).
Auf Annas Antwort "Dania" wussten die Leute nichts zu sagen, hatten sie wohl noch nie in ihrem Leben etwas von Dänemark gehört. -
Dicht gefolgt von der Frage nach der Herkunft ist die frage: "Jena?", was
soviel heißt wie: "Bist du verheira-tet?".
Und jetzt kommts, antwortet man nämlich mit Nein, kommt man in Er-klärungsnöte. Die Reaktion ist näm-lich ausschließlich immer: "Patjemu? (Warum?)".
Tja, warum, warum. Ich tendierte zu sagen, eine "Dewutschka (Freundin)" in Deutschland zu haben. An dieser Stelle empfiehlt es sich immer eine kleine Unterhaltung mit en Fahrern über ihren Familienstand zu halten. In Taqjikistan ist das durchschnittliche Hei-ratsalter 21 Jahre (bei den Damen wohl noch niedriger) und trifft man Leute in meinem Alter, haben sie bereits zumeist ein oder zwei Kinder... -
Am dritthäufigsten ist die Standartfrage nach dem Alter: "Skolka let?"
Nicht besonder spannend, aber versuche mal das Alter der Tajiken zu schätzen... keine Leichte Aufgabe! - Auch sehr beliebt ist die Frage, wie man denn so ohne Geld unter-wegs sein kann (wenn wir in ein Auto steigen, sagen wir in der Regel, dass wir kein Geld haben). Dann erklären wir, dass wir im "Palatka (Zelt)" schlafen und für Transport kein Geld ausgeben, aber ein bisschen Bares für Essen und Trinken angespart haben.
Nun gut, jetzt aber zurück zu unserem Lift der uns endlich an diesem
ominösen Heiße-Quellen-Platz absetzte.
Wir waren...
enttäuscht.
Die Landschaft war eine ge-waltige Ödnis und dort standen nur ein paar
Häuser herum. Innn konnte man sich einen Raum mit dem warmen Wasser nehmen.
In unserer Vorstellung hatten wir uns einen schönen Platz mit grün
erträumt, wo es kleine Becken oder Seen mit warmen Wasser gab und wir
schön idyllisch und in Ruhe unser Zelt aufschlagen konnten. Aber nichts da!
Wir taten das einzig sinnvolle und schulterten unsere Rucksäcke und
stellten uns wieder an die Schotterpiste um ein wenig weiter zu reisen und beim
nächsten schönen Platz zu stoppen und das Zelt aufzuschlagen.
Doch der Zeltplatz sollte auf sich warten lassen, denn mit dem nächsten
Laster ging es nun endgültig hinauf auf die Hoch-ebene. Die Baumgrenze hatten
wir schon vor einer Weile hinter passiert, doch nun verschwanden auch
sämtliche Sträucher, Gras und Grün und wir blickten in eine
Ödnis aus grauen Gestein und Staub. In der Ferne am Rande der Ebene waren
stets schneebedeckte Gebirgsgipfel zu sehen.
Das war es also, Marco Polos "Dach der Welt" auf über 4000 Meter. Trotz
der extremen Höhe hatten wir keine Probleme zu atmen.
Unser Fahrer war sehr freundlich, teilte sein Frühstück mit uns und
ich spielte während der Fahrt ein paar Lieder auf meiner Gitarre. Wir fuhren
und fuhren durch diese Kargheit, mehr als 40 km/h kann ein Laster auf dieser
Schotterpiste eben nicht hergeben.
Am späten Nachmittag erreichten wir eine weitere Hochebene, die diesmal
allerdings komplett mit Gras überzogen war, da sich in deren Mitte ein
kleiner Fluss entlang schlängelte. Hier standen in gemäßten
Abständen Jurten, traditionelle kirgisische Häuser und auch die
Bevölkerung ab diesem Punkt bezeichnete sich selbst als Kirgisen.
Wir beschlossen, in der Nähe einer dieser Jurten am Fluss unser Zelt
aufzuschlagen, waren wir doch neugierig, wie die Menschen dort lebten und
wie die Jurten aus der Nähe betrachtet aussahen. Da sahen wir aus dem
Laster drei dicht beieinander stehende Jurten in der Mitte der großen
Ebene, im Hintergrund die schneebedeckten Berge und ein kleines Dorf. Hier
wollten wir die Nacht verbringen.
Wir verabschiedeten uns von unserem LKW Fahrer, packten unsere Sache und wollten
grade losmarschieren, als ein weiterer Truck hielt und Anna heraussprang.
"Hallo Jungs", rief sie strahlend und schickte sich an, uns zu folgen.
Wir teilten ihre Begeisterung nicht ganz, war doch die letzte Verab-schiedung
etwas komisch verlaufen. Aber egal, man will ja nicht nach-tragend sein.
Wir gingen also zu drittzu den Jurten. Als wir näher kamen, sahen wir,
dass vor den Häusern ein Rudel Yak stand. Yak ist eine Art schwarze,
große;e Kuh mit wesentlich mehr Fell und größeren
Hörnern. Ein paar Leute waren mit den Tieren am arbeiten, melkten oder
fütterten sie oder sammelten ihren trockenen Kot, um damit zu heizen.
Die Menschen hatten mehr asiatische Gesichtszüge und ihrer Haut sah man das
extreme Wetter in dieser Höhe an. Insgesamt lebten hier drei Familien
mit reichlich kleinen Kindern.
Wir fragten, ob wir denn unser Zelt am Fluss aufschlagen dürften, doch man
insistierte darauf, uns in die Jurte einzuladen, da es nachts doch sehr kalt
wurde.
Die Jurte bestand aus einem Runden Holz-gestell, welches außen herum mit
dicken Tierfellen verkleidet war. In der Mitte des Daches gab es eine
Öffnung zum Lüften, die aber auch geschlossen werden konnte. Das
Innere war schön mit Teppichen ausgelegt und glänzte in bunten
Farben. In der Mitte stand ein Ofen, der auch zum Kochen verwendet wurde und
er machte den ganzen Raum mollig warm.
Vier kleine Kinder waren mit uns im Haus und wir ruhten uns etwas aus und
spielten mit den Kindern. Ich hatte noch ein paar Kekse, die ich mit ihnen
teilen konnte. Schließlich kamen auch di Eltern und es gab
Abendssen: Yak-Jogurth und Yak-Butter (welche wir leider Aufgrund des
wackeligen Zustands unserer Mägen nicht probieren konnten) und Oromo,
ein großer mit Kartoffeln und Zwiebeln gefüllter Teigfladen, sehr
lecker!
Zum Nachtisch konnte ich ein paar meiner iranischen Datteln teilen.
Da es bereits dunkel geworden war, war es an der Zeit, schlafen zu gehen. Wir
schlie-fen alle gemeinsam im selben Raum, das Ehepaar, die vier Kinder und wir.
Früh am nächsten Morgen packten wir unsere Sachen und verabschiedeten
uns von den Nomaden. Für ein paar Tage hier zu leben muss sehr interessant
sein, aber auf Dauer ist es wohl doch ein harter Alltag...
Wieder zurück am Highway sollte es heute endlich nach Murgab gehen. Da
näherte sich ein chinesischer Truck und Anna, die zuvor ein Jahr in
China gelebt hatte und Mandarin sprach rief: "Das ist meiner!".
Der Truck hielt und hatte Platz für zwei Personen, aber obwohl zwei weitere
Trucks im Anmarsch waren, sprang Anna hinein und weg war sie. Die anderen
beiden Trucks ließen Joel und mich daraufhin ebenfalls eiskalt stehen.
Da hatte sie nun also schon zum wieder-holten Male einfach links liegengelassen.
Diesmal aber war es besonders dreist, denn laut Tramper-Ehrenkodex hat
der-jenige das Vorecht auf einen Lift, der zuerst an einer Stelle am trampen
ist. Alle weiteren Tramper müssen sich dahinter aufstellen. Und zuerst da
waren numal Joel und ich - hätte sie wenigstens gefragt.
Verblüfft machten wir uns wieder ans warten - diesmal wirklich warten, denn
erst drei Stunden später fanden wir im Kofferraum eines Jeeps unsere
Mitfahrgelegenheit nach Murgab.
Diese Stadt ist die wohl hässlichste in gesamt Pamir. Die Häuser sind
grau, es stinkt in der ganzen Stadt nach Kohle, da es keine Elektrizität
gibt.
Fließend Wasser? - selten.
Toiletten? - hier und da ein Plumpsklo.
Internet? - machst du Witze?
Diese Stadt rief nur einen Wunsch in uns hervor: "Ich will hier weg!", doch
das sollte noch etwas dauern.
Wir gingen erstmal zum Basar, um uns mit Wasser und Lebensmitteln einzudecken,
dann machten wir uns auf den Weg zum Ortsausgang, um uns unserer
größten Herausforderung des ganzen Pamir High-ways zu stellen. Ab
Murgab gibt es nämlich keinen Verkehr mehr, der in Richtung Kirgisistan
führt. Bis zur nächsten Stadt Saritasch, die bereits in Kirgisistan ist,
sind es nämlich 220 Kilometer. Dazwischen liegt genau eine kleine
Ortschaft am See Karakul. Man muss zwei Pässe auf über 4500 Meter
und 4700 Meter Höhe überwinden und außer Kargheit gibt es dort
nichts viel (abgesehen von Massen an Rubinen, Diamanten und Gold, das irgendwo
verborgen in den Bergen schlummert). Auch LKWs fahren nicht auf dieser Route, da
sie außnahmslos alle von Murgab in Richtung China abbiegen.
Kurz gesagt: die einzigen Fahrzeuge, die diese Route nehmen sind Taxis,
Touristen oder Fahrräder. Taxis wollen Geld, Touristen haben meist kein
Interesse an Trampern und Fahrräder... nun ja.
Es war bereits gegen 14 Uhr, sehr spät, um noch einen Versuch zu wagen,
da die meisten Autos Richtung Saritasch die Stadt zwischen sechs und zwölf
Uhr morgens verließen.
Als wir an der geeigneten Trampstelle an-kamen, trafen wir Anna wieder, die uns
mit den warmen Worten begrüßte: "Ah, ich hatte gehofft ihr steht am
Stadteingang, denn dort würdet ihr niemals eine Mitfahrgelegenheit
finden!"
Na vielen Dank, wir freuten uns auch, sie wiederzusehen.
Wir sahen recht schnell ein, dass es für heute wohl nichts mehr zu holen
gab und so fragte ich einen Fahrer, ob er wüsste, ob man hier irgendwo
umsonst schlafen kann, zum Beispiel in einer Moschee.
"Kein Problem", meinte er und wenig später saßen wir bei einer
Tasse Tee in seinem Wohnzimmer.
Der nette Mann hieß Abraham und war pensionierter Soldat. Er lebte mit seiner
Frau und seinem Sohn Rassoul und dessen Frau und Kindern im wohl schönsten
Haus des Dorfes. Es stand am Rande von Murgab, wo man die verbrannten Kohlen
nicht mehr roch, war innen wunderschön mit Holz verkleidet und aus den
Fenstern hatte man einen wunderbaren Blick über die grasüberzogene
Hochebene.
Unsere Mägen waren immer noch nicht einwandfrei und
Abraham und Rassoul waren die ersten Personen, die das verstanden und uns
nicht den-noch unmengen öliger Nahrung aufzwängen wollten! Die Nacht
konnten wir umsonst im Gasthaus von Rassouls Bruder verbringen, in echten
Betten! Anna hatte in der Nacht Probleme zu atmen und schaufte in einem fort,
vertrug sie wohl die Höhenluft nicht so gut.
Wir hatten den Wecker auf fünf Uhr morgens gestellt und waren um sechs
an der Straße. Mit Anna machten wir diesmal einen Deal aus: hat ein Auto
Platz für zwei Personen, fuhren Joel und ich, ist Platz für nur eine
Person, fährt sie. Aus diesem Grund lief sie auch 500 Meter weiter die
Straße entlang, da es wegen dieser Abmachung nicht so schlau ist, in
großer Anzahl nebeneinander zu trampen
Tja, und nun begann das große Warten...
7 Uhr, 8 Uhr - es wurde langsam etwas wärmer...
9 Uhr, 10 Uhr - der Wind pfiff uns den Staub um die Ohren...
11 Uhr, 12 Uhr - der Ausblick ödete uns mittlerweie an...
13 Uhr - und da hielt ein Auto... für Anna! Und weg war sie. Das
hatten wir schon vermutet, dass das einzige Auto an diesem Tag für sie
hielt...
14 Uhr, 15 Uhr - wir hatten genug für heute und beschlossen,
zurück zu Abrahams Haus zu gehen.
Zu unserer Überraschung freuten sie sich, uns wieder zu sehen und luden uns
wieder ins Haus ein. Wirklich sehr freundliche Leute, mit denen man auch gut
reden konnte, soweit es die Sprachbarriere zulies. Abraham war Muslim und eine
seiner Lebensweisheiten war, dass Geld nur Sorgen auslöst und er deswegen
sich nicht für Geld totarbeiten wird, sondern das Leben jeden Tag
genießt!
Diese Nacht sollten wir bei ihnen im Haus schlafen und am Tag drauf machten wir
uns wieder zur Staubpiste. Ich fand in meinem Geldbeutel noch ein paar Sticker
der DTGS (Deutsche Trampsport Gesell-Schaft) und beschloss, dass dies ein
ge-eigneter Ort sei, einen Anzubringen. Wie bei Tramprennnen üblic
platzierte ich meinen Sticker am Ortsausgangsschild und versah ihn mit meinem
Namen und dem Datum!
Im Schnitt verließen so 10-15 Autos am Tag Murgab, die Stoßzeit
war zwischen neun und zehn Uhr. Wir warteten abermals den ganzen Tag vergeblich.
Wir hatten ein Angebot von Touristen, uns bis zum riesigen See Kara Kul
mitzunehmen. Da es aber keinen Unterschied machte, hier oder dort zu warten,
entschieden wir uns für den sicheren Zufluchtsort bei Abraham. Im
Nachhinein erfuhren wir aber, dass es dort auch Verkehr von kirgisischer Seite
geben soll, Touristen die zum See fahren.
Um 14 Uhr hielt ein Auto, doch es war Abraham, der uns einsammelte, um uns
zurück nach Hause zu bringen.
Da die letzte Dusche ein paar Tage her war, fragten wir ihn nach einer
Wasch-gelegenheit, da die Häer in dieser Gegend ja nicht über ein
Badezimmer verfügen und Abraham fuhr mit uns zum städtischen
Waschraum. Für 8 Somoni (= 1 Dollar) konnte man sich dort eine Stunde
lang mit heißem Wasser übergießen und die Dampfsauna nutzen.
Nach Tagen im Staub war dies genau das Richtige, herrlich!
Abends zeigeten uns Rassoul und Abraham Bilder von ihrem Ausflug in ein
nahegelegenes Tal, wo sie zelten und fischen waren. Sie boten uns begeistert
an, morgen mit uns dort hin zu fahren.
Zelten und fischen in einem abgelegenen
Tal, perfekt! Doch Joel teilte meine Be-geisterung nicht, wollte er doch
aufgrund des andauernden Durchfalls endlich die Hochgebirge verlassen und so
mussten wir die Einladung leider ausschlagen, schade!
Der dritte Tag an der Straße und wieder waren wir an derselben Stelle, um
endlich voranzukommmen. Ein Taxi, das nach Osh fuhr, nahm 150 Somoni, was ca.
18 Dollar entspricht. Aber natürlich wollten wir das Taxi nicht nehmen,
zumal ich in den lezten beiden Wochen in Pamir nur eben diesen Betrag
ausgegeben hatte.
Doch diesmal klappte es tatsächlich! Nach drei Tagen Däumchen drehens
hielt gegen 9 Uhr ein Wagen und zwei tajikische Männer, die eine Rund-reise
machten, nahmen uns mit und endlich konnten wir das hässliche Murgab
verlassen.
Die Schotterpiste führte durch die Hoch-ebene entlang der chinesischen Grenze.
Der Grenzzaun war uns ein Dorn im Auge, hatten wir es doch bisher nicht geschafft,
ein Visum zu bekommen. Der Weg führte über einen Pass und 100
Kilometer später näherten wir uns Kara Kul, einem gigantischen
See. Weit entfernt am aneren Ende des Ufers sah man hohe Gebirgsgipfel
aufragen, einer von ihnen musste mit über 7000 Meter Hö Lenin
Peak sein.
Wir kamen zu einem weiteren Pass und die Temperaturen fielen auf fast 0 Grad.
Hier auf 4600 Metern war der tajikische Grenzposten, hinter dem 24 Kilometer
Niemandsland warteten, bis man den kirgisischen Grenzposten erreichte.
Die Ausreise funktionierte Problemlos und über Serpentinen ging es nun
bergab, dann entlang eines Flusses, bis wir Kirgisistan erreichten. Doch an
der Grenze mussten wir erstmal warten, denn die Beamten machten grade
Mittagspause.
Zwanzig Minuten später durften wir schließlich passieren, nicht
ohne dass unser Wagen gründlich gefilzt wurde, einschließlich Hund.
Und dann endlich waren wir in Kirgisistan, ein Land in dem wir für 60 Tage
ohne Visum verweilen konnten.
Das grau der Berge änderte sich mit einem Mal in ein sattes grün,
denn die ganze Region glich einer gigantischen Wiese. Die Jurten mehrten sich und
überall waren Tierherden unterwegs. In Saritasch luden uns unsere Fahrer
auf ein Suppe ein: Schorpa, eine traditionelle Rinderbrühe, sehr lecker.
Die Fahrt ging weiter Berg rauf und wieder runter und meiner Meinung nach ist
der kirgisische Teil des Pamir Gebirges wesentlich schöner: interessante
Berge mit sattem grün und Bäumen und Bächen.
Als wir eine schöne Schlucht entdeckten, beschlossen wir, dort unser Zelt
aufzu-schlagen. Direkt am Fluss stand auch ein Haus, wo wir fragten, ob wir hier
unser Zelt aufbauen könnten.
Die Alte Dame sagte aber nur: "Tz, Zelt!", und führte uns in ihre
leerstehende Jurte im Garten. Dort richteten wir unser Lager ein und
feierten unseren Erfolg mit Brot und Tee mit frischem Honig, da die Dame
eine eigene Bienenzucht hatte.
Frisch und munter ging es dann am Tag darauf mit einem LKW, indessen
Fahrer-häuschen mit uns insgesammt sieben Personen saßen, nach Osh.
Diese Stadt stellte das Ende des Pamir Highways dar, dem wir in den letzten
14 Tagen über 1400 Kilometer gefolgt sind. Wir konnten es
tatsächlich vermeiden Taxis oder Busse zu nehmen, auch wenn es be-deutete,
einmal drei Tage auf ein Auto zu warten. Da Tajikistan, zu-sammen mit Iran, das
mit Abstand Gastfreundlichste Land ist, brauchte ich pro Tag nur 1.60 Dollar,
hauptsächlich um Wasser zu kaufen.
Das Pamir Gebirge ist eine eindrucksvolle Landschaft, besonders die Strecke
entlang der afghanischen Grenze. Die Hocheben strahlt eine Weite aus und
machnchmal kommt man sich wirklich vor wie auf einem Dach, doch schöner
anzusehen war dann doch der Teil in Kirgisistan, als das Gün endlich
zurückkehrte.
Alles in allem war dies ein tolles Abenteuer, welches ich auf keinen Fall
missen möchte!