Um Yssykkul herum

🕐 16. Oktober 2016Yssykköl, Kirgisistan ☀

Trekking am Kolsay See

Ich hatte gehört, in der Nähe sollte es einen wunderschönen See in den Bergen geben, Kolsay genannt. Das war genug Information für mich, ich trampte also aus der Stadt gen Osten hinaus.
Diesmal war ich erneut auf mich alleine gestellt, da Joel von Almaty nach Moskau geflogen war, um dort seine Freundin zu treffen. So warteten 260 Kilo-meter bis Kolsay auf mich und ich musste mich ein wenig beeilen, da mir nur noch vier Tage von meinem kasachischen Visum verblieben waren.
Nach knappen 210 Kilometern entlang der Hauptstraße kam die Ab-zweigung, die nach Kolsay führte. Nun ging es 70 Kilometer durch die Käffer, doch ich hatte das enorme Glück, direkt eine Mitfahrgelegenheit bis zum letzten Dorf Satji vor den See zu finden.

Es wurde spät, also suchte ich einen Platz für mein Zelt. Am Rande des Dorfes floss ein Fluss, an dessen Ufer ich eine schöne Stelle fand. Außer einer Menge Kühe und Hunde sollte mich hier niemand stören.
Ich machte ein Feuer und genoss den tollen Ausblick auf die Berge. Von hier waren es noch zwölf Kilometer bis zum Kolsay See. Wie mir mein Fahrer am nächsten Tag erklärte, gab es dort drei Seen. Am ersten See gab es ein paar Gast-häuser, dort endete auch die Straße.
Nun musste man acht Kilometer zum zweiten See und anschließend weitere sechs Kilometer zum dritten See wandern.
Ich schulterte meinen Rucksack und begab mich auf den Pfad. Es war ein schöner Wanderweg, der erst entlang des ersten Sees und anschließend durch den Wald führte.
Endlich wieder Wald! Die letzten Monate waren nicht gerade von dieser Vegeta-tionsform geprägt.
Schließlich begann der Weg anzusteigen und nach einem guten Aufstieg erreichte ich am späten Nachmittag den zweiten See. An einer verlassenen Feuerstelle machte ich erst einmal eine Pause und konnte dieses Eichhörnchen beobachten, wie es versuchte, mein Essen zu stehlen.


Hallo FreundInnen #9: Eichhörnchen am Kolsay See

Ein Stückchen den Weg weiter fand ich den idealen Platz zum Zelten: eine Grasfläche direkt am See.
Dort campierte bereits eine Gruppe Ranger, die mich zu Essen und Tee einluden. Später traf noch ein tschechisches Pärchen und in der Nacht eine Gruppe Kasachen ein.
Nachts wurde es hier doch ziemlich kalt und so war ich am nächsten Morgen froh, als die Sonne hinter den Bergen zum Vorschein kam. Wir frühstücken gemein-sam.
Ich konnte es mir nicht nehmen lassen, anschließend in den See zu springen, doch das Wasser war ziemlich kalt.

Die Kasaken, zwei Jungs und ein Mädel in meinem Alter, machten sich wieder auf den Rückweg und da sie mir anboten, mich bis nach Almaty mitzunehmen, schloss ich mich ihnen an. Nach vier Stunden Fuß-marsch und einem kurzen Hagelschauer erreichten wir den Parkplatz.

Als wir mit ihrem Auto wieder an der Hauptstraße ankamen, erspähte ich von einer Brücke aus einem fast amerikanisch anmutenden Canyon. Dies war der Beginn des Charyl Canyon Nationalparks und ich beschloss dort die Nacht im Zelt zu verbringen.

Ich verabschiedete mich von meinen Freu-nden und stieg hinab in den Canyon. Durch diesen floss ein Fluss, wo ich auch mein Zelt aufschlug. Da es hier eine Menge Mücken hatte, machte ich schnell ein Feuer, hatte ich doch dort die beste Feuerstelle zwischen den Felsen entdeckt. Ich spielte noch Gitarre bis es dunkel wurde und kuschelte mich an-schließend in meinem Schlafsack ein.

Hat da jemand ein Schlückchen über den Durst getrunken?

Tags drauf musste ich aufbrechen, um Kasachstan zu verlassen, da mein Visum sich dem Ende neigte. Ich trampre also nach Kakhara, dem Grenzposten mit Kirgisistan östlich von Almaty, wo ich von drei kirgi-sischen Herren eingesammelt wurde.

Kaum hatten wir die Grenze hinter uns gelassen, hielten sie am Straßenrand und holten eine Flasche Wodka heraus. Sie hatten nur ein Glas dabei und so ging es reihum. Nach zwei Runden wollte ich eigentlich aufhören zu trinken, doch sie luden mich zur Übernachtung zu sich nach Hause ein. Nun gab es keine weiteren Ausreden mehr und zwei Runden später war die Flasche leer.
Im Örtchen ein Stück weiter besuchten wir die Mutter von einem der Drei und als wir zehn Kilometer später an der Straße hielten, stellte ich fest: sie hatten dort auch eine weitere Flasche Wodka mitgehen lassen!
Es ging also von vorne los, reihum wurde getrunken. Bei sieben oder acht hörte ich auf zu zählen. Irgendwie bestanden sie darauf, dass ich alle zu meiner Hochzeit nach Deutschland einladen solle (von der die Drei mehr zu wissen schienen als ich selbst... Hochzeit?).
Als wir wieder ins Auto steigen wollten, hielt plötzlich ein Freund der Drei, der aus der Gegentichtung kam. Kurzentschlossen hieß es: 180 Grad wenden und mit zum Freund fahren, wo auch direkt die nächste Pulle Wodka ausgepackt wurde. Ich war bereits viel zu dicht um großen Wider-stand zu leisten und abermals wurde Glas um Glas gelehrt.
Endlich ging es weiter und wir erreichten das Dorf indem die Schnapsnasen wohnten. Zuerst ging es zu Asamats Heim, wo es Abendessen gab. Ich weiß allerdings nicht mehr was es zu essen gab, da hier der Alkohol zu wirken begann...
Als wir kurze Zeit später bei Moibeks Haus ankamen, fiel ich ins Bett und brauchte den nächsten Tag dringend zum ausruhen.

Die Familie bei, der ich gelandet war, war sehr nett und als es mir abends ein wenig besser ging, gab es mein Lieblingsgericht in Kirgisistan: Oromo, eine Art Teigrolle gefüllt mit Kartoffeln und Zwiebeln. Abends wollten Moibek und Asamat erneu-ten Wodka mit mir trinken, doch ich lehnte vehement ab. Die nächsten Wochen wollte ich keinen Wodka mehr sehen!
Tags drauf verabschiedete ich mich und setzte meine Reise fort, um end-lich Yssykköl zu Gesicht zu bekommen.

Am See Yssykköl

Yssykköl ist der zweitgrößte Gebirgssee der Welt und gleicht fast einem Meer, auch das Wasser ist salzig. Drumherum gibt es eine Menge Sandstrände und die Kirgisen nutzen den See im Sommer als Urlaubs-ziel. Gegen Abend fand ich einen schönen aber vermüllten Strand zum Übernachten. Nun musste ich nur noch meinen aufdringlichen Fahrer los werden, der mit mir noch etwas abhängen wollte und endlich hatte ich meine Ruhe.
Ich machte ein kleines Feuer, kochte ein Süppchen und ging schlafen.

Es waren gut zwei Kilometer Fußmarsch zurück zur Hauptstraße, doch kaum war ich dort angekommen, hielt ein LKW. Er wurde von drei coolen jungen Männern in meinem Alter gefahren. Wir verstanden uns prima und hatten eine tolle Fahrt zusammen. Ich spielte ein wenig Bluegrass Musik im LKW und an einem schönen Strand hielten wir, um baden zu gehen.
Die Strecke entlang des Südufers des Sees war sehr sehenswert, führte durch viele Dörfer und über Berge, es gab kaum große Städte. Als es zu dämmern begann sagte ich den LKW-Fahren leb wohl und schlug mein Zelt auf einem Feld auf, wo ich mir eine Menge Stroh als Matratze zusammen-gesucht hatte.

Bevor ich zurück nach Bishkek kehren sollte, wollte ich noch einen Tag an einem schönen Sandstrand entspannen. Ich beschloss im Norden Yssyköls danach zu suchen, doch dies stellte sich als schwieriges Unterfangen dar. Im Norden des Sees gab es eine Menge großer Städte und viele Bereiche am See sind eingezäunt, entweder von Hotels oder reichen Leuten, die sich dort ihre Sommerresidenz sichern.
Ich befürchtete, kein Glück zu haben und es wurde bereits dunkel, als mein Fahrer mich an einer total schlechten Stelle absetzte. Ein winziger Strand direkt neben der Straße.
„Nein danke“, dachte ich mir.
Nebenan begann ein riesiges eingezäuntes Areal. Da hatte sich wohl einen Millionär seinen Platz an der Sonne gesichert. So weit man von außen sehen konnte, waren dort die schönsten Strände, aber keine Menschen-seele weit und breit zu sehen, Frechheit!
Ich lief also den Zaun ab, in der Hoffnung am anderen Ende noch einen schönen Platz zu finden. Es wurde nun ziemlich dunkel und zwischen den Büschen ent-deckte ich einen kleinen Pfad, der zum See führte. Und tatsächlich fand ich zu meiner großen Freude einen kleinen Strand vor. Das war es also, was den normalen Leuten übrig gelassen wurde: zwanzig Meter Strand. Dennoch, hier war es schön und ich richtete meinen Lager ein.
Den nächsten Tag verbrachte ich fröhlich prokrastinierend und arrangierte eine Picking-Version des Bluegrass-Tunes „Fare Thee Well“.


Road Songs #7: Fare Thee Well (Yssykkök, Kirgisistan)

Abends zog dann noch ein ordentliches Gewitter auf und während der Regen auf mein Zelt prasselte schlief ich in Ruhe ein.
Nun war es an der Zeit, nach Bishkek zurückzukehren, wo ich eine Couch über Couchsurfing organisiert hatte.
Das Haus von Aiganyshs Familie war etwas außerhalb der Stadt in einem Dorf mit Blick auf wunderschöne Berge. Es handelte sich um eine große und sehr nette Familie. Der Vater hatte eine Menge leckerer Apfel und Birnenbäume im Garten und das Essen war nur vom Feinsten.

Ich musste nun eine Entscheidung treffen: wo wollte ich als nächstes hin? Es ergab sich die Möglichkeit, mit anderen Reisenden das Visum für China in Georgien zu machen, doch irgendwie fühlte ich mich nicht danach, hatte ich doch schon mit China abgeschlossen.
Nach zwei Tagen Nachdenkens buchte ich schließlich einen Flug nach Indien für den 16. Oktober - nun war es also beschlossen, ich ging nach Indien!
Leider musste ich diesen Flug buchen, da es fast unmöglich ist, auf dem Landweg nach Indien einzureisen (die einzigen möglichen Zugänge wären Pakistan»Indien oder Tibet»Nepal»Indien).

In der Zwischenzeit besuchte der Vater der Familie mit mir den zehn Minuten ent-fernten Nationalpark „Ala Archa“ mit wunderschönen Bergen. Leider ließ er mir nur eine Stunde Zeit, die Gegend zu erkunden und so beeilte ich mich, dort eine große Runde zu laufen.

Erneut geht es nach Almaty

Nun fehlte nur noch das Visum für Indien.
In der indischen Botschaft in Bishkek wollte man mir nur ein drei Monate Visum geben und so machte ich mich abermals auf den weg nach Almaty, wo ich bereits bei meinem letzten Besuch herausgefunden hatte, dass man hier sechs Monate bekommt. Hinter der Grenze wurde ich von einem fetten Audi mit kanadischem Kennzeichen mitge-nommen. Es handelte sich um einen Millionär, der auf dem Weg nach Almaty war. Dieser war ein Kirgise, der allerdings mit seiner Familie nach Kanada ausge-wandert ist. Das Auto hatte er per Schiff nach Kasachstan schicken lassen, wo er eine luxuriöse Wohnung in Almaty besaß.
Er erzählte mir seine gesamte Lebensgeschichte, wie er in Deutschland studierte und schließlich Leiter einer Minengesellschaft wurde. Er lud mich ein, die Nacht in seiner Apartmentwohnung zu schlafen und hätte beinahe noch einen Kontakt zur indischen Botschaft herstellen können (mit Geld kann man eben alles machen). Er erzählte mir auch, dass er eben von Yssykköl kam, wo er zwanzig Hektar Land für sich und seine Familie am See gekauft hatte. Das trübte meine Freude, hatte ich doch ein paar Tage zuvor über eben jene Leute geklagt.
Am nächsten Morgen suchten wir noch seine Schwiegermutter, die in einer ge-waltigen Villa lebte und anschließend setzte er mich in der Nähe der indischen Botschaft ab. Ich reichte dort meine Dokumente ein und nun hieß es eine Woche zu warten, bis das Visum fertig ist.

Da ich Kräfte sammeln wollte, um fit für Indien zu sein, beschloss ich in Almaty zu bleiben.
Ulan, ein Couchsurfer, lud mich ein, bei ihm ein paar Tage zu bleiben. Zusammen gingen wir auf eine Open-Mic-Session, wo ich ein paar Bluegrass Hits schmetterte. In Almaty traf ich mich auch mit Agustin, dem Argentinier, mit dem ich das China Visum zusammen machen wollte - ein sehr angenehmer Zeitgenosse. Nach ein paar Tagen bei Ulan zog ich um ans andere Ende der Stadt in eine vegane Antifa Kommune. Hier fühlte ich mich sofort wie zu Hause; endlich wieder Menschen die so denken wie ich und jeden Tag leckere vegane Küche.
Da in meiner Heimat gerade Herbsten angesagt war, buck ich für alle veganen Zwiebelkuchen - lecker!
Die Woche verging wie im Flug und ich verbrachte die Tage hauptsächlich damit Gitarre zu spielen, nichts zu tun, meinen Blog zu überarbeiten oder zu essen. Endlich konnte ich auch meine Visum abholen: sechs Monate, dreifacher Eintritt!

Ich hatte noch ein paar Tage Zeit, in der Kommune zu bleiben, bevor mein Visum ablief. Übrigens hatten sie dort auch eine eigene Sauna, die fleißig benutzt wurde.
Schließlich traf ich auch noch Joel, der von seinem Russland-Georgien Trip mit gültigem China Visum zurückgekommen war.
Wir machen uns nun in unterschiedliche Richtungen auf: er gen Osten und ich gen Süden.

Wieder in Kirgistan konnte ich noch ein paar Tage bei Aiganyshs Familie in Bishkek verbringen. Es sollte hier sogar noch schneien, eines morgens war plötzlich die ganze Gegend in zehn Zentimeter Neu-schnee gehüllt - Zeit, in wärmere Gefilde aufzubrechen.
Ich traf die letzten Vorbereitungen und am 16. Oktober startete um fünf Uhr morgens mein Flugzeug nach Neu Delhi.




So mache ich mich also auf in einen neuen Kulturkreis. Seid gespannt, was Mutter Indien mir so zu bieten hat...